Berufsbild Schulsekretärin: Eine verantwortungsvolle Tätigkeit im Wandel
Ob am Telefon oder persönlich – die Schulsekretärin ist meist erste Anlaufstelle für schulische und außerschulische „Kunden“, also für Schüler, Eltern, Lehrer, das nicht pädagogische Schulpersonal, Behörden, Handwerker, Ehemalige, Nachbarn, Stadtteilorganisationen, Lieferanten, Sponsoren, etc. Alle am Schulleben beteiligten Personen erwarten Präsenz von der Schulsekretärin, auch und gerade dann, wenn sie als Alleinkraft arbeitet. Für Notfälle soll sie als zentrale Anlaufstelle erreichbar sein. Serviceleistungen in Form von Information und Beratung werden ihr unmittelbar abverlangt. Insgesamt prägt und beeinflusst eine gut integrierte, kompetente Schulsekretärin die Innen– und Außenwirkung der Schule.
Anlauf– und Schnittstelle für alle und alles
Aufgrund der Schnittstellenfunktion findet die Arbeit im Schulsekretariat in einem Spannungsfeld zwischen sehr unterschiedlichen und manchmal auch nicht miteinander zu vereinbarenden Erwartungen und Bewertungen statt. Die Bandbreite der potentiellen Kommunikationspartner ist groß; zum Beispiel müssen Alter, ethnische Zugehörigkeit, berufliche oder soziale Stellung berücksichtigt werden. Die Schulsekretärin sollte sich auf jede Situation einlassen können:
- Mit dem Grundschüler kommuniziert sie anders als mit dem volljährigen Berufsschüler.
- Bei Gesprächen mit Eltern aus sozialen Brennpunkten müssen ggf. vorhandene Ängste oder Aggressionen abgebaut werden.
- In der Kommunikation mit Schülern oder Eltern mit Migrationshintergrund müssen Sprachbarrieren überwunden werden.
Gegenüber der anspruchsvoll auftretenden EIternschaft aus dem Schulförderverein muss vielleicht ein Servicewunsch zurückgewiesen werden. In jedem Fall sollte sich die Schulsekretärin auf unterschiedliche Gesprächspartner und Sachverhalte einstellen und ihr Gegenüber einschätzen können. Sie muss sich adäquat und der Situation angemessen verhalten und dabei freundlich, höflich und verbindlich bleiben. Die Zahl der tatsächlichen Kommunikationskontakte im Verlauf eines "normalen" Arbeitstages ist hoch, sowohl bezogen auf direkte Kontakte als auch auf Anrufe oder den immer wichtiger werdenden E‑Mail‑Verkehr. Die "gefühlte Menge" an Kontakten kann mittels einer einfachen Strichliste anschaulich belegt werden. Bei jedem Kontakt, jeder Anfrage, jedem Anliegen muss sich die Schulsekretärin auf etwas Neues einstellen, sich über den jeweils vorliegenden Sachstand orientieren, Informationen zusammenführen und dafür ggf. den gerade bearbeiteten Vorgang unterbrechen und neue Prioritäten setzen. Die an sie herangetragenen Anliegen sind vielfältig, die Aufgabenerledigung erfordert eine umfangreiche Sach‑ und Fachkenntnis sowie umfassende Information über alle schulischen Belange. Nur so kann das Schulsekretariat selbstständig funktionieren und die Schulleitung wirksam entlasten. Die Vielzahl der Kommunikationspartner und Anforderungen erfordert auch eine sichere Einschätzung der Schulsekretärin über situationsgerechtes Agieren: Nicht alles muss und kann sofort erledigt werden. Wichtiges und Unaufschiebbares muss erkannt und herausgefiltert werden. Der Ausfall einer Lehrkraft in der ersten Stunde bedarf einer sofortigen Veranlassung sogar selbstständiger Regelung, wenn die Schulleitung schon im Unterricht ist. Das Ausstellen einer Schulbesuchsbescheinigung kann warten. Auch ist Menschenkenntnis von großer Bedeutung: Manche Katastrophe ist keine, wenn sich herausstellt, dass der Überbringer der Nachricht
zur Überreaktion neigt. Andererseits kann auch ein sehr tapferes Kind einen Krankenwagen sehr nötig haben ‑ weshalb im Fall von Unfällen oder Erkrankungen auch die Erstversorgung und Entscheidung über weitere Schritte bei den Lehrkräften liegt und nicht im Sekretariat, wo man die Schülerinnen und Schüler zwar kennt, aber nicht immer gut genug einschätzen kann. Kennzeichnend für die Kommunikationssituation im Schulsekretariat ist auch die unterschiedliche Wertschätzung, die der Schulsekretärin von den jeweiligen Gesprächspartnern entgegengebracht wird. Sie schwankt zwischen Ehrfurcht vor der Vertreterin der Institution Schule oder der Alleinsachkundigen im Schulhaushalt bis hin zur Geringschätzung als stets verfügbare Bedienung, "Tippse" und Formularausfüllhilfe. Hier muss die Schulsekretärin ggf. "pädagogisch" agieren und nicht nur Heranwachsenden gegenüber Grenzen setzen und gegensteuern. Generell ist eine Abgrenzung wichtig, vor allem im Hinblick auf den eigenen Arbeitsbereich, der gegenüber Schulleitungsangelegenheiten oft nicht klar genug abgesetzt ist. Dies kann unter Umständen zu eigenem übergriffigem Agieren, aber auch zu übergriffigem Delegieren der Schulleitung führen. Ebenso wichtig ist Abgrenzung aber auch im sozialen Kosmos Schule, da nur so in dieser besonderen, engen Arbeitssituation zwischen Schulleitung und Sekretariat Loyalität und Neutralität gewahrt werden und eine Instrumentalisierung und Vereinnahmung in Konfliktlagen vermieden werden kann.
Der Stundenplan bestimmt den Tagesablauf
Die im Schulsekretariat verfügbare Zeit und damit die Frage, in welchem Maß dort die Funktion als zentrales Nervensystem der Schule erfüllt werden kann, ist im Wesentlichen von der Personalausstattung abhängig. Bei einer nur geringfügigen Stundenausstattung müssen andere Wege gefunden werden, um schulische Kommunikations‑ und Informationsprozesse sicherzustellen.
Lehr‑ und Leitungskapazitäten müssen ggf. umgewidmet werden, denn das Schulsekretariat kann die volle Bandbreite der Tätigkeiten nicht erbringen. Die Kollegin wird vermutlich meist eine Schwerpunktsachbearbeitung (z. B. den Haushalt) erledigen und im Übrigen versuchen, die Schule nicht unter den Defiziten der Personalbemessung leiden zu lassen. Wünschenswert für die Schule ist eine Personalausstattung, die die Besetzung des Schulsekretariats wenigstens für die Hauptunterrichtszeit am Vormittag ermöglicht.
Der Kommunikationsrahmen ist aber nicht nur durch die verfügbare Zeit vorgegeben, sondern auch durch die zeitliche Organisation des Schulbetriebes. Die Verteilung der Unterrichts und Pausenzeiten im Tagesverlauf führt dazu, dass es regelmäßig Zeiten mit hohem Publikumsandrang im Schulsekretariat gibt. Schüler und Lehrkräfte nutzen die Pausen für Anfragen und Rücksprachen und holen Formulare oder Bescheinigungen ab. Gleichzeitig klingelt in dieser Zeit verstärkt das Telefon, denn auch Eltern wissen um die bessere Erreichbarkeit von Lehrern in den Pausen. Wegen der Unterrichtsverpflichtung von Schulleitungen und Lehrkräften ist dies aber auch genau die Zeit, in der die Schulsekretärin Absprachen treffen muss, insbesondere wenn das Sekretariat nicht bis zum Nachmittag besetzt ist. Außerdem sind Pausenzeiten unfallträchtig, da sich der Bewegungsdrang der Schüler nach einer Doppelstunde ungebremst entfaltet.
Der Gleichzeitigkeit dieser Anforderungen, die nicht nur in Pausenzeiten auftreten, muss sich die Schulsekretärin in jedem Fall stellen. Sie kann aber durch die Gestaltung organisatorischer Abläufe (z. B. Formularschränke für das Kollegium, Sammellisten/Pultordner für Schulbesuchsbescheinigungen o. Ä.), durch die Steuerung des Publikumsverkehrs (z. B. Einrichtung von Öffnungszeiten/Ausgabezeiten) und durch technische Mittel (z. B. Direktwahl am/zum Telefon im Lehrerzimmer) die Zahl der Anforderungen reduzieren, wenn auch nur in begrenztem Maße. Dem Hochbetrieb in den Pausen stehen die weniger stark durch Publikumsverkehr bestimmten Unterrichtszeiten gegenüber, die es ‑ bei entsprechender Organisation des Sekretariatsbetriebes ‑ ermöglichen, Tätigkeiten auszuführen, die höhere Konzentrationsanforderungen stellen. Durch die Stundenplanorientierung sind diese Phasen jedoch begrenzt. Darüber hinaus lassen Telefonkontakte und Besucher, die nicht auf andere Zeiten verwiesen werden können (Eltern, Ehemalige, Handwerker), auch in dieser Zeit eine zuverlässige Planbarkeit der Sekretariatsarbeit nicht zu. Zeitsouveränität ist für die meisten Kolleginnen im Schulsekretariat ein Fremdwort.
Dienstleistungsorientierung als Herausforderung
Die Funktionen des Schulsekretariats als Kornmunikations‑ und Verwaltungszentrale verlangen von der Schulsekretärin eine permanente Reflexion ihrer Rolle, ihres Verhaltens und ihres Arbeitsauftrags. Kommunikation braucht Zeit, Verwaltungsarbeit auch. Wenn also Zeit nur begrenzt vorhanden ist, muss eine Abwägung zwischen Dienstleistungsorientierung, Hilfsbereitschaft und Arbeitserledigung erfolgen. Sich im anspruchsvollen Schulbetrieb behaupten zu können, erfordert viel Souveränität und Fingerspitzengefühl sowie die Fähigkeit zur Distanz gegenüber Vereinnahmung und unangemessenen Serviceansprüchen. Dabei gilt es, situationsgemäß zu handeln. Gefälligkeitsdienste können z. B. grundsätzlich leichter zurückgewiesen werden, wenn die Begründung dafür im eigenen unerledigten Arbeitspensum liegt. Im Übrigen gilt der Grundsatz der Gegenseitigkeit: Ein "gutes" Betriebsklima, das allein von der Bereitschaft der Schulsekretärin zur Übernahme von Klassenlehreraufgaben oder Zusatzarbeiten abhängt, ist kein gutes Betriebsklima. In der Regel erkennt die Schulsekretärin recht schnell, wer sich das Leben auf Kosten anderer leicht macht ‑ unter Umständen kann sie sich auf die nicht vorhandene Weisungsbefugnis von Lehrkräften berufen und ggf. Grenzen mit Unterstützung der Schulleitung oder des Schulträgers aufzeigen. Wenn Lehrkräfte aber bereitwillig und zuverlässig mit dem Schulsekretariat kooperieren, wenn die Bitte um Hilfestellung im Ausnahmefall und unter Berücksichtigung der Arbeitssituation erfolgt, dann spricht nichts dagegen, sich gegenüber dem Kollegium, der Schulleitung und den anderen Beschäftigten der Schule kollegial und hilfsbereit zu verhalten.
Problematischer wird es, wenn der Maßstab für eine angemessene Dienstleistungsorientierung zwischen Schulsekretärin und Eltern und/oder Schülern unterschiedlich ist. Schüler kann man auf die regulären Sekretariatsöffnungszeiten verweisen, Eltern hingegen nicht. Denn wer sich eines Anliegens wegen in die Schule begeben hat, hat einen Anspruch auf Dienstleistung. Wie weit aber die Hilfestellung beim Ausfüllen von Formularen oder bei der Suche nach Informationen geht, wie viel Zeit für die Aufnahme umfangreicher Klagen und zur Beruhigung der Beschwerdeführer aufgewandt wird, muss in der jeweiligen Situation entschieden werden. Wichtig und hilfreich für die Schulsekretärin ist es, sich immer wieder zu vergegenwärtigen, dass Unterbrechungen im Arbeitsablauf keine "Störungen" und die Besucher im Sekretariat demzufolge auch keine "Störer" sind, sondern dass es zum Berufsbild gehört, sich nicht nur um die Verwaltung der Schule, sondern auch um individuelle Anliegen zu kümmern.
Fazit
Das Schulsekretariat ist ein Arbeitsplatz, an dem komplexe Anforderungen erfüllt und situationsgerecht bewältigt werden müssen. Die Mitarbeiterinnen sind zum Teil die am häufigsten aufgesuchten Verwaltungsangestellten der Kommunen. Die Vielzahl der Kommunikationspartner, die Gleichzeitigkeit der Anliegen und die nur begrenzt zur Verfügung stehende Zeit erfordern es, den Sekretariatsbetrieb professionell zu organisieren, Abläufe gut zu strukturieren und evtl. daraus resultierende Beschränkungen der Schulöffentlichkeit gegenüber zu begründen. Intensive Praxisseminare und kontinuierliche Fortbildungen, verbunden mit dem Erfahrungsaustausch der Schulsekretärinnen untereinander, sichern eine Professionalisierung des Schulsekretariats und eine Sicherung des verwaltungsjuristisch korrekten Verhaltens.
Quelle: Freundlich entnommen aus: Brauer, Renate. In: Praxishandbuch Schulsekretariat, Loseblattwerke Carl Link ISBN 978-3-556-01049-5
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